Die Geschichte der Phosphoreszenz

Ein kleiner historischer Ausflug in nachleuchtende Stoffe.

Die bekanntesten Dinge, die im Dunkeln nachleuchten, sind wohl die Sternchenaufkleber, die so einen schönen Nachthimmel an die Zimmerdecke zaubern. Auch nachleuchtende Ziffernblätter in Uhren sind beliebt. Von praktischem Nutzen sind stromunabhängige Notausgang-Schilder. Was all diese Materialien zum Leuchten bringt, ist die Phosphoreszenz. Aber wie hat man herausgefunden, wie Stoffe zum Leuchten gebracht werden? Und seit wann weiß man, dass es so etwas gibt?

Heute gibt es nachleuchtende Materialien als Pulver und in Steinchen-Form, als Farbe zum Malen, als Papier, Folie, Nähgarn u.v.m.. Der Kreativität bei der Verarbeitung sind keine Grenzen gesetzt. In noch viel mehr Endprodukten sind nachleuchtende (phosphoreszierende) Stoffe vorhanden — sei es in Spielzeug, in Alltagsdingen, in der Sicherheitstechnik oder in Babyartikeln. Dabei ist die Phosphoreszenz in vielen verschiedenen Farben möglich, auch wenn das gelblich-grüne Leuchten wohl am bekanntesten ist.

Der Weg zu diesen unterschiedlichen Farben und zu einer Phosphoreszenz, die über mehrere Stunden zu sehen ist, war lang und spannend: Ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Phosphoreszenz.

Die erste Erwähnung von Stoffen, die im Dunkeln Leuchten

Der erste dokumentierte Nachweis von nachleuchtenden Stoffen stammt von vor etwa 1000 Jahren aus dem alten China: In einer Sammlung mit historischen Geschichten und Volksgeschichten aus der Song-Dynastie (960-1279) wird über den Erwerb und die Weitergabe eines Bildes mit besonderen Eigenschaften geschrieben. Dieses Bild soll bei Tageslicht eine Kuh gezeigt haben, die neben einem Stall grast. Im Dunkeln dagegen soll die Kuh innerhalb ihres Stalls zu sehen gewesen sein. Auch wurden in dem altchinesischen Text Vermutungen über das Geheimnis der im Dunkeln sichtbare “Tinte” angestellt. Demnach sollen die Grundstoffe aus japanischen Muschelschalen oder japanischem Vulkangestein gewonnen worden sein. Dabei wird Bezug auf ein Buch aus der Zeit von 140-88 v. Chr. genommen. Man kann also davon ausgehen, dass die Menschen schon vor mindestens 2000 Jahren wussten, wie sie nachleuchtende Stoffe herstellen und verwenden konnten.

Entdeckung der Phosphoreszenz in Europa

In der westlichen Welt wurde das Leuchten von Stoffen im Dunkeln zum ersten Mal im 17. Jahrhundert durch die sogenannten Bologneser Steine bekannt.
Es war im Jahr 1602 als ein italienischer Schuhmacher und Alchimist namens Vincenzo Casciarolo in der Nähe vom Monte Paderno (bei Bologna) das Mineral Schwerspat (BaSO4) entdeckte und mit nach Hause nahm. Dort glühte er es über Kohlen aus. Die erhaltenen Steine leuchteten im Dunkeln orange-rötlich nach – und sorgten für viel Staunen. Zu jener Zeit erschienen den Menschen die nachleuchtenden Steine als mystisch und zogen viele neugierige Besucher an. Damals entstanden auch die Begriffe “Phosphore” (griechisch für Lichtträger) und “Phosphoreszenz” für den langanhaltenden Nachleucht-Effekt von Stoffen. Das chemische Element Phosphor (P) wurde hingegen erst im Jahre 1669 von Hennig Brand entdeckt. In seiner weißen Form kann Phosphor ebenfalls leuchten. Wie sich jedoch erst sehr viel später herausstellte, handelt es sich hierbei um Chemilumineszenz, da Phosphor – anders als die Leuchtsteine – nur bei chemischer Reaktion mit Sauerstoff leuchtet.

Bologneser Leuchtsteine hergestellt nach altem Rezept

Nachgemachte historische bologneser Leuchtsteine aus Schwerspat, Mehl und Zucker unter Weißlicht; Foto: Cran Cowan, CC-Lizenz 2.0, Quelle: Flickr

Im Dunkeln leuchtende bologneser Leuchtsteine

Die bologneser Leuchtsteine leuchten im Dunkeln orange-gelb; Foto: Cran Cowan, CC-Lizenz 2.0, Quelle: Flickr

Frühe Untersuchungen nachleuchtender Stoffe

1634 und 1640 veröffentlichten die Gelehrten Ovido Montalbani und Fortinius Licetus Bücher mit Untersuchungen zu den Bologneser Steinen. Sie beschrieben, wie man verschiedenfarbige Leuchtsteine herstellt und machten erste wissenschaftliche Erklärversuche, wie das Leuchten zustande kommen könnte. Über die nächsten Jahrzehnte entdeckten verschiedene Alchimisten und Wissenschaftler, dass man neben dem bisher verwendeten Barium (Ba) auch die Erdalkalimetalle Calcium (Ca) und Strontium (Sr) zur Herstellung von Phosphoren verwenden konnte. Eine weitere wichtige Zutat schien zudem Schwefel (S) zu sein, da die Erdalkalimetalle zu Sulfid-Verbindungen ausgeglüht werden mussten. Spätere erwähnenswerte nachleuchtende Stoffe waren “Balduins Phosphor”, “Hombergs Phosphor” und “Cantons Phosphor”. Aber trotz zunehmender Popularität des Leuchtphänomens und Forschungsbemühungen konnte das eigentliche Geheimnis des Nachleuchtens über Jahrhunderte nicht gelüftet werden.

Tipp für chemisch Interessierte: Auf der Webseite von Illumina werden sehr schön verschiedene chemische Experimente zur Herstellung von Leuchtsteinen vorgestellt (https://illumina-chemie.de)

Nachgemachte Leuchtsteine aus verschiedenen Erdalaklimetallen unter Weißlicht

Nachgemachte historische Leuchtsteine aus verschiedenen Erdalaklimetallen unter Weißlicht; Foto: Cran Cowan, CC-Lizenz 2.0, Quelle: Flickr

Die Erdalkali-Leuchtsteine leuchten im Dunkeln in verschiedenen Farben

Die Erdalkali-Leuchtsteine leuchten im Dunkeln in verschiedenen Farben; Foto: Cran Cowan, CC-Lizenz 2.0, Quelle: Flickr

Beginn der modernen Erforschung des Nachleuchtens

Bis ins 19. Jahrhundert hatten alle Leuchtstoffe eine recht geringe Leuchtdauer und teilweise eher schwaches Leuchten. Im Jahre 1866 dann stellte der französische Forscher Theodor Sidot kleine Zinksulfid (ZnS)-Kristalle her, die deutlich heller und länger leuchten konnten (sogenannte Sidot’sche Blende). Sidot gelang dies, indem er Spuren von Kupfer in das Zinksulfid eingebrachte. Zu jener Zeit war es auch, dass erste systematische Forschungsarbeiten und Untersuchungen zur gezielten Herstellung von Leuchtstoffen durchgeführt wurden (z.B. von Edmond Becquerel, Lecoq de Boisbaudran oder Virgil Klatt). Man fand heraus, das Verunreinigungen der Ausgangsstoffe mit Metallen der Grund für das Entstehen des Leuchtens sind. Der deutsche Physiker Eilhard Wiedemann war dann der erste, der die verschiedenen Phosphore nach der Art ihrer Lichtabgabe klassifizierte. In seiner Arbeit vom Jahr 1888 führte er u.a. die Begriffe Lumineszenz, Photolumineszenz und Chemilumineszenz ein.

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden Leuchtstoffe auch in der breiten Bevölkerung immer bekannter. Mit der kommerziellen Vermarktung der blau leuchtenden, sogenannten Balmain’sche Leuchtfarbe konnte man sie nach und nach auch in privaten Haushalten zur Markierung von Gegenständen und Einrichtungen finden.

Nachleuchtstoffe im 20. Jahrhundert

Um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert beschäftigte sich auch der Physiker Philip E. A. Lenard sehr intensiv mit Phosphoren. Es gelang ihm, verschiedenste Leuchtstoffe zu synthetisieren (Lenard-Phosphore). Durch das Einbringen von Metallionen (sogenannte Aktivatorionen) schaffte er es, die Leuchtfarbe der Phosphore gezielt zu verändern. Trotzdem waren Sidot’s Nachleuchtstoffe auf Basis von Zinksulfid mit Spuren von Kupfer bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die meist verwendeten Phosphore. Durch das zusätzliche Einbringen von Spuren von Kobalt erhielt man das bekannte grüne Nachleuchten bei einer Wellenlänge von ca. 530 nm. Solche Stoffe wurden sowohl beim Militär während des ersten und zweiten Weltkriegs eingesetzt, als auch immer mehr im Zivilbereich. Jeder kennt nachleuchtende Sternchenaufkleber, nachleuchtende Notausgangsschilder oder nachleuchtende Ziffern auf Armbanduhren.

Die Zeichen dieser Armbanduhr leuchten mehrere Jahre durch Tritium als Energiequelle

Die Zeichen dieser Armbanduhr leuchten mehrere Jahre durch Tritium als Energiequelle; Foto: Eric Kilby, CC-Lizenz 2.0, Quelle: Flickr

Bläulich nachleuchtendes Gespenst vor grün nachleuchtenden Sternchenaufklebern

Bläulich nachleuchtendes Gespenst vor grün nachleuchtenden Sternchenaufklebern

Neue Phosphore leuchten heller und länger

Das Nachleuchten von Materialien auf Basis des Zinksulfids war für viele praktische Anwendung noch nicht ausreichend. Die Leuchtkraft lässt schon nach wenigen Minuten deutlich nach. Durch das Einbringen von Radium oder Tritium als Energielieferant für die Phosphore konnte die Leuchtdauer auf viele Jahre erhöht werden (was damals besonders in Armbanduhren eingesetzt wurde). Jedoch sind diese Elemente radioaktiv und die Nachfrage nach ungefährlichen, langzeitstabilen und auch bei normalem Lampenlicht aufladbaren Nachleuchtstoffen stieg weiter an. Mitte der 1990er Jahre dann gelang es der japanischen Firma Nemoto & Co. Ltd. einen Stoff auf Basis von Strontiumaluminat (SrAl) zu entwickeln, dessen Leuchtkraft und -dauer um das Vielfache erhöht ist. Selbst nach 30 Stunden kann das grüne Leuchten im Dunkeln vom menschlichen Auge noch wahrgenommen werden. Außerdem ist das Material stabil und nicht giftig oder radioaktiv. Ein großer Vorteil außerdem: einfaches Lampenlicht reicht als Anregung aus. Dieser Stoff, unter dem Markennamen LumiNova bekannt, fand besonders schnell in der Uhrenwelt seinen Einsatz und wurde später zu Super-LumiNova weiterentwickelt.

Nachleuchtstoffe heute

Seither wurden zahlreiche ähnliche Stoffe entwickelt. Es sind hauptsächlich Aluminate und Silikate (also Verbindungen mit Aluminium und Silizium), in die Spuren von Lanthanoiden (Metalle der seltenen Erden) eingebracht wurden. Die meisten davon sind bei Tageslicht von unscheinbar weißlicher Farbe und leuchten im Dunkeln grünlich oder blau nach. Rote oder orangefarbene Nachleuchtstoffe können mit Sulfiden hergestellt werden. Diese schwefelhaltigen Nachleuchtstoffe sind jedoch in Pulverform gesundheitsschädlich. Alternativ können den grünen und blauen Phosphoren rote Fluoreszenzfarbstoffe wie Rhodamin zugesetzt werden. Dadurch sind fast alle Farbnuancen erhältlich. Um auch bei Tageslicht bunt auszusehen, werden die Phosphore mit Pigmenten eingefärbt. Jedoch verringert alles Einbringen von zusätzlichen Farbstoffen die Leuchtkraft und -dauer teilweise erheblich. Zudem ist das menschliche Auge für sehr kurzwelliges Licht (violett) und langwelliges Licht (rot) recht unempfindlich. Daher werden violette und rote Phosphore häufig als schwächer und kürzer nachleuchtend wahrgenommen.

Neben kommerziellen Fertigprodukten kann man Nachleuchtstoffe immer öfter im Do-it-yourself und Kreativ-Bereich finden. Zum Beispiel gibt es Nachleuchtpulver zum Einmischen in Farben, nachleuchtendes Nähgarn, nachleuchtendes Druckermaterial aus Papier und Kunststoff, Knetmasse und vieles mehr.

Verschiedenfarbige Leuchtpulver unter Weißlicht (oben), die im Dunkeln teilweise andersfarbig leuchten (unten)

Verschiedenfarbige Leuchtpulver unter Weißlicht (oben), die im Dunkeln teilweise andersfarbig leuchten (unten). Die Pulver können in z.B. Lacke, Klebstoffe oder Kunststoffe eingearbeitet werden.

Viele nachleuchtende Stoffe sind heutzutage unbedenklich und werden vielseitig eingesetzt

Viele nachleuchtende Stoffe sind heutzutage unbedenklich und werden vielseitig eingesetzt, auch für Babyartikel

Trotz der rasanten Entwicklung nachleuchtender Stoffe im letzten Jahrhundert offenbarte sich der Mechanismus des Nachleuchtens nur langsam. Erst seit 2011 konnte der Leuchtmechanismus der Bologneser Steine durch die Forschergruppe um Mika Lastusaarials als vollständig entschlüsselt erklärt werden. In den letzten Jahren gab es weitere zahlreiche Neuentwicklungen von nachleuchtenden Materialien auf organischer und anorganischer Basis. Neben der Aufladung der Stoffe mit sichtbarem Licht – wie Sonnenlicht oder Lampenlicht – könnte die Nutzung von längerwelliger Strahlung nahe oder im Infrarotbereich neue Anwendungsgebiete eröffnen.

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2023-11-27T20:12:58+00:00
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